Taking Games Seriously – Podiumsdiskussion über digitale Spiele in der Bildung
“Wo gespielt wird, wird auch gelernt.” – So lautete eine Kernthese, die Dr. Martin Thiele-Schwez auf dem Podium über digitale Spiele in der Bildung am 12. April 2022 in der Evangelischen Akademie Frankfurt stark machte. Neben dem Geschäftsführer von Playing History war das Podium mit weiteren ausgemachten Expert*innen aus Spielebranche und Bildung besetzt, und zwar Prof. Dr. Linda Breitlauch und Dr. Simon Maria Hassemer. Zur Veranstaltung der Reihe “Zukunft Mensch” eingeladen haben die Polytechnische Gesellschaft, sowie der Kunstgewerbeverein Frankfurt.
Was zeichnet Serious Games aus?
Die Diskussion leitete FAZ-Journalist und Moderator Bastian Benrath damit ein, dass er auf die wirtschaftliche Relevanz des Videospielemarktes hinwies. “Der Markt der Videospiele ist größer, als der internationale Markt der Kino- und Musikwirtschaft zusammen.” Doch war es den Panelist*innen wichtig, direkt darauf hinzuweisen, dass Serious Games hierbei eine Sonderstellung einnehmen. “Serious Games verhalten sich zu AAA-Titeln, wie Dokumentarfilme zu Spielfilmen” sagte Prof. Breitlauch in dem Zusammenhang. Maßgebliche Unterschiede zu Entertainment-Titeln lassen sich insbesondere aus zwei Perspektiven ausmachen:
- Zielsetzung der Serious Games: Entertainment-Titel verfolgen das Ziel, möglichst häufig gekauft zu werden und die Spieler*innen möglichst vergnüglich (und damit meist über eine möglichst lange Dauer) zu binden. Serious Games dagegen verfolgen andere Ziele. Da Serious Games nicht selten gemeinsam mit Bildungsorganisationen (Museen, Bildungsstätten, Forschungseinrichtungen etc.) entwickelt werden, verfolgen diese Spiele meist das primäre Ziel, bestimmte Vermittlungsziele zu transportieren. Natürlich gelingt dies besonders gut, wenn es sich um gut designte und fesselnde Spiele handelt. Doch ist das reine Entertainment bei Serious Games eben nur untergeordnete Prämisse.
- Entwicklung der Serious Games: Auch Serious Games benötigen für die Entwicklung die für das Game Design generell relevanten Departments. Zusätzlich bedarf es aber auch die jeweiligen, inhaltlichen Expert*innen, welche die im Spiel dargebotenen Mechanismen und Inhalte stets kritisch prüfen. Zudem erfordert die Entwicklung der Spiele nicht bloße Gameplay Tests, sondern auch kontinuierliche inhaltliche Prüfungen und fortlaufende Evaluationen. Schließlich ist es das kritische Bestreben aller Beteiligter das tatsächliche Erzielen der angestrebten Lerneffekte. Dieser relevante Mehraufwand muss geleistet werden im Rahmen von Budgets die – gemessen am Entertainment-Markt – immernoch vergleichsweise gering sind.
Dürfen Serious Games Spaß machen?
Diese Frage stellte der Moderator provokant in den Raum, seien diese Games doch eben nicht zum Entertainment erstellt. Das Podium war sich diesbezüglich einig: Sie dürfen nicht nur, nein, sie müssen Spaß machen, sonst verfehlen Serious Games ihre Wirkung.
Die Einsatzfelder von Serious Games sind schier endlos. So glauben auch wir von Playing History daran, dass es kein Thema gibt, welches nicht mithilfe spielerischer Methoden besprochen werden kann. Der Mehrwert der von derartigen Lernspielen ausgeht lässt sich im Wesentlichen in drei Bereiche clustern:
- Wissenserwerb
- Kompetenzerwerb / Kompetenztraining
- Verhaltensänderung (insbesondere im Kontext von Serious Games for Health)
“Der heilige Ernst des Spiels”
…mit diesen Worten wird der niederländische Linguist Johan Huizinga zitiert. Der in den Game Studies viel zitierte Verfasser des “Homo Ludens” weist darauf hin, dass in jedem Spiel völliger Ernst steckt. Und tatsächlich: sehen wir uns Kinder und Jugendliche beim Spielen an, sehen wir nicht selten höchst konzentrierte Gesichtsausdrücke. Immerhin heißt Spielen, dass konzentrierte und fokussierte Anstreben eines Ziel beim gleichzeitigen Versuch (konstruierte) Hindernisse zu überwinden.
Den Fokus mit denen Kinder einem Spiel begegnen können, wünschten sich so manche Lehrkräfte in ihren Lehreinheiten. Gerade darum verwundert es sehr, dass digitale Spiele noch immer keinen offiziellen Einzug in den Bildungsplan gehalten haben. Engagierte Lehrkräfte wie der Panelist Dr. Simon Maria Hassemer scheinen hier leider noch immer eine Ausnahme darzustellen. Hassemer – Lehrer und Referent für Schulqualität und Lehrerbildung – stellte auf dem Podium dar, dass er Spielen auf drei Wegen in seinen Unterricht integriert:
- Sprechen über Spiele: Neben den Kunstformen Literatur oder Film, kann das Spiel analysiert und besprochen werden.
- Spielen und anschließende interpretieren von Spielen
- Selbst Spiele entwickeln
Die Zukunft von digitalen Spielen in der schulischen Bildung
Der Blick in die Zukunft des spielerischen Lernens fällt positiv aus. Nicht nur, dass es mehr und mehr Best Practice Beispiele gibt, die beweisen, dass Games es sehr wohl vermögen auch hochgradig ernste und historisch relevante Themen zu bearbeiten, sondern auch die Lehrkräfte und Schulen, öffnen sich dem Thema. Dies ist gerade darum sinnvoll, da das Spiel selbst zur Lebenswirklichkeit der allermeisten Kinder und Jugendlichen gehört.
Die gesamte Veranstaltung “Taking Games seriously” zeigte, dass Serious Games etliche Facetten haben und das Potential derselben noch längst nicht ausgeschöpft ist. Interessierte können hier die ganze Veranstaltung, sowie die anschließende Fragerunde nachschauen:
Rückfragen zu Serious Games? Oder gar Interesse an der Umsetzung eines (digitalen) Spiels im Bildungskontext? Unsere Expert*innen helfen gern weiter.