hellgrüner Hintergrund mit verschiedenen geometrischen Figuren

Videospiele und Schule: Passt das zusammen?

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Videospiele und Schule: Passt das zusammen?

Ein Gastbeitrag von Mandy Dörre und Kevin Birkefeld von der Universität Potsdam, Professur für Schulbezogene Medienbildung & Hosts des Podcasts „Lernen : next level“


Kaum ein anderes Thema wird möglicherweise so viel anregenden Gesprächsstoff in jeder erdenklichen Gruppenzusammensetzung bieten: Die Schulzeit. Hat doch jede Person eine oder viele seltsame Geschichten aus der eigenen Zeit im Klassenzimmer parat. Die scheinbaren Klassiker sind (zumindest den gängigen Klischees nach zu urteilen) Bockspringen im Sportunterricht, Gedichtanalysen und -Interpretation sowie fragwürdige Unterrichtsmethoden. Was in diesen Geschichten vermutlich selten vorkommt: Dass Videospiele im Unterricht gespielt wurden. Warum sind diese lohnenswert für den Unterricht? Oder vielmehr: Warum gehören Videospiele und Schule zwangsläufig zusammen?

“Die Kinder und Jugendlichen dort abholen, wo sie stehen.”

Mit diesen Worten könnte man das Vorhaben bildlich beschreiben. Wenn man Videospiele in den Unterricht integriert, dann holt man ein Stück der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler in das Klassenzimmer. Sicherlich ist vielen klar, dass Videospiele zum Alltag von Kindern und Jugendlichen dazugehören. Studien, wie die JIM-Studie zeigten zuletzt 2022, dass dreiviertel der Jugendlichen täglich bzw. mehrmals die Woche Videospiele spielen. Dass ein solcher Bezug zum Alltag und der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler für ein größeres Interesse im Unterricht sorgen kann, ist daher sicher einleuchtend.

Darüber hinaus sehen die Vorgaben für die Gestaltung des Unterrichts in Form des Rahmenlehrplans vor, dass digitale Medien in den Unterricht eingebunden werden. Doch nicht nur das:  Videospiele werden dort sogar explizit aufgeführt. Demnach könnte man als Lehrkraft videospielbezogene Themen für den Unterricht aufgreifen. Konkrete Beispiele könnten die Musik in Videospielen, das Design von Umgebungen, die Gestaltung der Natur, Erzählperspektiven in Videospielen oder der bewusste und kritische Umgang mit dem Medium „Videospiel“ selbst sein.

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Natürlich gibt es auch zahlreiche Möglichkeiten Videospiele aktiv im Klassenzimmer spielen zu lassen. Denn Videospiele greifen viele Themen auf, die gleichzeitig auch Inhalt des Fachunterrichts sind. Wer diesen Blog verfolgt und auf der Website von Playing History gelandet ist, wird für das Fach Geschichte sicherlich keine weiteren Beispiele benötigen. Aber auch für andere Fächer gibt es zahlreiche Möglichkeiten. So sind Themen der Ökologie, Nachhaltigkeit, Mensch und Umwelt Unterrichtsinhalte in Biologie und eines der Leitthemen in der Sekundarstufe II. Gleichzeitig werden diese Themen in vielen Videospielen aufgegriffen. Zwei Beispiele dafür sind Imagine Earth und Klims:S21.

Videospiele in den Unterricht einzubinden ist also schon länger nicht mehr eine innovative und moderne Idee, sondern eine Lehrkraft hat dazu die volle Berechtigung durch den Rahmenlehrplan auf ihrer Seite. Man könnte sogar so weit gehen, dass Videospiele damit fächerübergreifend verpflichtender Bestandteil des Unterrichts sind.

Gaming im Unterricht: Das eigene Level wählen

Neben der Tatsache, dass Videospiele Teil der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler sind, lohnt sich eine Einbindung in den Unterricht aber noch aus anderen Gründen. Bereits angesprochen wurden die Möglichkeit das Interesse der Schülerinnen und Schülern zu wecken. Ebenso bietet die Bandbreite der möglichen Themen, die Videospiele aufgreifen, einen Vorteil.

Aber damit nicht genug: Videospiele gelten als hoch interaktiv. Das bedeutet, anders als im Vergleich zu anderen Medien (z. B. Videos) kann die Schülerin oder der Schüler mit diesem interagieren. Die Spieler*innen steuern die Spielfigur. Sie beeinflussen die Handlung. Sprich: Sie nehmen sich als handelnd wahr. Daneben gelten Videospiele als sehr immersiv. Sie können dafür sorgen, dass man in diese digitale Welt, in die Handlung oder das Spielgeschehen förmlich eintaucht und besonders fokussiert ist. Beide Faktoren (sich als handelnd wahrnehmen und das Eintauchen) gelten als lernförderlich.

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Wem das zu wissenschaftlich ist, der kann das Ganze auch noch von einer anderen Warte betrachten: Denn Videospiele ermöglichen ein individuelleres Lernen, da verschiedene Schwierigkeitsgrade, verschiedene Spielverläufe, oder auch das Tempo, in dem man spielt und vorankommt von Person zu Person frei gewählt werden kann. Natürlich bieten hier verschiedene Spiele verschiedene Grade der Freiheit, dennoch ist auch dies ein Vorteil von Videospielen.

Nicht zuletzt sei gesagt, dass natürlich einige Schüler*innen erprobter und geübter im Umgang mit Videospielen sind als andere. Was für eine tolle Möglichkeit, Teamarbeit in den Unterricht zu integrieren. Geübtere Schülerinnen und Schüler helfen den „Videospiel-Anfängern“ weiter. Vielleicht nehmen sich hier Lernende als Expert*innen wahr, die das in anderen Unterrichtssituationen nie oder nur selten tun. Auch das wäre eine wünschenswerte Facette.

Methodenkiste zu Videospiele und Schule: Einfach für jeden etwas dabei

Ob man nun überzeugt davon ist, dass Videospiele in den Unterricht gehören oder Vorteile für diesen bieten, ist sicherlich von Person zu Person unterschiedlich. Die Anzahl der Lehrkräfte, die selbst in Kontakt mit Videospielen kommen oder kamen, wird jedenfalls mit der Zeit immer höher. Und damit vermutlich auch die Zahl der Lehrkräfte, die sich grundsätzlich vorstellen können, das Medium in ihrem Unterricht auszuprobieren.

Auf der anderen Seite ist nicht gesagt, dass jede Schülerin oder jeder Schüler vor Begeisterung aufschreit, wenn es heißt, dass heute ein Videospiel im Unterricht gespielt wird. Doch darum geht es auch nicht. Es gibt bereits jetzt viele verschiedene Methoden für den Unterricht. Einige gefallen dem einen Schüler – dem anderen Schüler wiederum nicht. Das gehört zum Unterricht dazu, sodass es auch beim Thema Videospiele Lernende geben wird, die damit eher etwas anfangen können.

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Insofern ist der Einsatz von Videospielen als weitere Ergänzung des Unterrichts zu sehen. Als zusätzliches Werkzeug im Repertoire einer Lehrkraft, welches dabei hilft, den Unterricht noch vielfältiger zu gestalten. Im Zuge unseres Podcasts „Lernen : next level“ beschäftigen wir uns mit dem Thema „Videospiele im Unterricht“. Hier war auch schon Martin Thiele-Schwez von Playing History zu Gast.

Dort waren sich bisher alle Gesprächspartner des Podcasts einig:Videospiele im Unterricht einzusetzen – das sollte man unbedingt mal ausprobieren. Dafür offen zu sein und zu schauen, ob das für mich als Lehrkraft oder für meine Klasse etwas ist – darum sollte es gehen. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Spielen!

Weiterführend zum Thema Game-based learning und Videospiele im Unterricht:

  • Biermann/Verständig (2022): Medienbildung durchgespielt?! Lern- und Bildungsprozesse im Kontext digitaler Spielkulturen: Ein Walkthrough; MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung
  • Dahalan et al., Bado und Hussein et al. (2023): Gamification and Game Based Learning for Vocational Education and Training: A Systematic Literature Review; Education and Information Technologies
  • Feierabend, Rathgeb, Kheredmand, Glöckler (2020): KIM-Studie 2020: Kinder, Internet, Medien; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs);
  • Feierabend et al. (2022): JIM-Studie 2022: Jugend, Information, Medien; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs)
  • Goldmedia Custom Research GmbH (2019): neurowissenschaftliche Studie mit Kindern im Altern von 10-14 Jahren
  • Nebel/Ninaus (2021): A Systematic Literature Review of Analytics for Adaptivity Within Educational Video Games; Frontiers in Education
  • Petko (2008): Unterrichten mit Computerspielen. Didaktische Potenziale und Ansätze für den gezielten Einsatz in Schule und Ausbildung; MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung
  • Schaumberg/Prasse 2018: Medien und Schule; Verlag Julius Klinkhardt
  • utb (2020): Medienlandschaft als Herausforderung für Erziehung und Bildung, 2020, Verlag Julius Klinkhardt
  • Zhang, Hazarika, Chen, Shi (2023 ): A cross-national study on the excessive use of short-video applications among college students; [online] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0747563223001036

Ein Gastbeitrag von Mandy Dörre und Kevin Birkefeld von der Universität Potsdam, Professur für Schulbezogene Medienbildung & Hosts des Podcasts „Lernen : next level“

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