Museen der Zukunft werden spielerisch sein
Vorbei sind die Zeiten, in denen man einfach durch Museumsgalerien schlenderte und analoge Plaketten las. Heute setzen Museen Spiele als dynamische und immersive Methode ein, um die Besucher*innen zu bilden, zu unterhalten und mit ihnen in Kontakt zu treten. Von analogen Spielen bis zu digitalen Virtual-Reality Erlebnissen – Spiele im Museum verändern das Museumserlebnis und machen das Lernen für alle Altersgruppen zum Vergnügen. Sehen wir uns einige der Gründe an, warum Spiele im Museum immer mehr in den Mittelpunkt rücken:
(1) Zielgruppenspezifische Ansprache
Spiele sprechen ein breites Publikum an und machen sie zu einer integrativen und zugänglichen Form der Unterhaltung. Museen machen sich diese Fähigkeit zunutze, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen, darunter Kinder, Familien, Studentinnen und Studenten und sogar Menschen, die normalerweise keine Museen besuchen. Spiele können so gestaltet werden, dass sie unterschiedliche Fähigkeiten, Sprachen und Lernstile berücksichtigen. Sie können auch Gelegenheiten für soziale Interaktion und Zusammenarbeit bieten, was sie ideal für Gruppen- oder Familienbesuche macht. Durch die Einbeziehung von Spielen öffnen Museen ihre Türen für ein breiteres und vielfältigeres Publikum und fördern so die Inklusion und Zugänglichkeit. Die Zielgruppen bei *ihrem* Medium abzuholen ist das Stichwort.
(2) Resonanz und Relevanz
“Was hat das alles mit mir zu tun?” – Das ist die zentrale Frage aller Museumsbesucher*innen. Spiele im Museum haben die einzigartige Fähigkeit, Emotionen zu wecken und unvergessliche Erlebnisse zu schaffen. Das sorgt dafür, dass Besucher*innen sich auf einer tieferen Ebene mit den Exponaten und den Geschichten dahinter zu verbinden. Diese emotionalen Verbindungen fördern das Verständnis und die Wertschätzung für das jeweilige Thema und hinterlassen einen bleibenden Eindruck bei den Besuchern*innen, auch lange nachdem sie das Museum verlassen haben.
(3) Niedrigschwellige Zugänge
Spiele machen nicht nur Spaß, sondern sind auch ein wirkungsvolles pädagogisches Instrument. Sie bieten die Möglichkeit, spielerisch und aktiv zu lernen und fördern kritisches Denken, Problemlösungs- und Entscheidungsfähigkeiten. In einem Museum können Games so gestaltet werden, dass sie mit den Bildungszielen übereinstimmen, z. B. mit der Vermittlung von Wissenschaft, Kunst oder Kultur. Durch die Einbindung von Spielen in das Museumserlebnis können Museen eine immersive Lernumgebung schaffen, die Neugier und Engagement fördert.
Mit dem Landesmuseum Zürich haben wir beispielsweise für die Ausstellung “Zum Geburtstag viel Recht – 175 Jahre Bundesverfassung” vier spielerische Installationen konzipiert und technisch realisiert. Mit ihnen können Besucherinnen und Besucher spielerisch das komplexe Spannungsfeld zwischen politischen Rechten, Pflichten und persönlicher Freiheit erkunden – auch ohne Vorkenntnisse. In der Installation “Hol dir den Pass” betreten die Spielenden buchstäblich das bürokratische Labyrinth auf dem Weg zum Schweizer Pass. Nicht jede*r muss dabei die gleichen Hürden überwinden. Und so gibt es vier verschiedene Wege durch den Schilderwald.
(4) Technologische Innovation mit einbeziehen
Spiele bieten eine spannende Plattform, um technologische Innovationen zu nutzen und die Grenzen des Möglichen zu erweitern. Virtual Reality (VR)- und Augmented Reality (AR)-Games ermöglichen es den Besucher*innen zum Beispiel, historische Ereignisse zu erleben, ferne Orte zu erkunden oder mit virtuellen Objekten auf eine Weise zu interagieren, die früher unvorstellbar war. Museen nutzen auch Spiele-Apps, interaktive Touchscreens und andere digitale Tools, um das Besucher*innenerlebnis zu verbessern und Museen interaktiver und dynamischer zu gestalten.
(5) Zeitgemäß und lebendig
Geschichte wird manchmal als langweilig und distanziert wahrgenommen, aber Spiele haben die Macht, das zu ändern. Indem sie den Besucher*innen die Möglichkeit geben, in die Rolle historischer Persönlichkeiten zu schlüpfen, entscheidende Momente zu erleben und mit historischen Artefakten und Schauplätzen zu interagieren, können Spiele die Geschichte auf eine Art und Weise lebendig machen, wie es herkömmliche Ausstellungsstücke nicht können.
Bestes Beispiel dafür ist die interaktive Graphic Novel “Herbst ’89 – Auf den Straßen von Leipzig”, die als Teil der Ausstellung “Roads not Taken. Oder: Es hätte auch anders sein können” des Deutschen Historischen Museums, aber auch online fernab des Museums genutzt werden kann. Im Mittelpunkt stehen die Ereignisse des 9. Oktober 1989 in Leipzig. Zehntausende gingen an dem Tag auf die Straße, um für Reformen in der DDR zu demonstrieren. Der Ausgang des Tages war ungewiss, viele fürchteten eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste. Die Museumsgäste schlüpfen in der Graphic Novel in die Rolle von sieben Personen, wie der Bürgerrechtlerin oder dem Bereitschaftspolizist, und durch laufen den historischen Tag aus deren sehr unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie treffen Entscheidungen, die den Verlauf des Geschehens beeinflussen. Dabei wird nicht nur konkretes Geschichtswissen vermittelt. Es wird auch deutlich, dass Geschichte ein offener Prozess ist. Sie ist das Ergebnis von konkreten Entscheidungen und Handlungen, aber auch von Zufällen. Die Nutzer*innen werden angeregt, spielerisch aus verschiedenen Perspektiven historische Entscheidungssituationen nachzuvollziehen und kritisch über Geschichte nachzudenken.
Die “historische Vase” in einer verstaubten Vitrine hat ausgedient – zumindest dann, wenn es dem Museum nicht gelingt, zu derselben eine Geschichte zu erzählen & sie in Resonanz mit den Besucher*innen zu bringen. Darum werden wir künftig noch mehr Spiele im Museum sehen!
Was meint ihr zum Thema “Spiele im Museum”? Diskutiert mit uns:
Vor einigen Jahren habe ich mit @GeisRichard die Games Produktionsfirma @Playing_History gegründet. Inzwischen entwickeln wir die Mehrzahl unserer Spiele für & mit Museen & Gedenkstätten.
🧵Darum ein Thread zu meiner These:
Das Museum der Zukunft wird spielerisch sein!
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— Martin Thiele-Schwez (@ThieleMartin) April 2, 2023