hellgrüner Hintergrund mit verschiedenen geometrischen Figuren

Spiele im Geschichtsunterricht

Spiele im Geschichtsunterricht; Zusammengestelltes Bild aus 4 Spielen: My Child Lebensborn, This War of mine, Spuren auf Papier, Trains

Spiele im Geschichtsunterricht

Das bloße Auswendiglernen von Jahreszahlen ist vermutlich das Erste, was vielen zum Stichwort Geschichtsunterricht einfällt. Das ist nicht nur wenig beliebt, auch die mittelfristige Behaltensquote reicht oft nur bis zum nächsten Test. Erlebnisse dagegen prägen sich wesentlich nachhaltiger ein und fördern somit das Lernen. Und dabei ist es nicht entscheidend, ob diese Erlebnisse real oder in Spielen gesammelt werden. Warum also nicht die Faszination von Spielen nutzen und damit den Geschichtsunterricht attraktiver gestalten?

Was macht ein gutes Spiel für den Geschichtsunterricht aus?

Kinder und Jugendliche wollen entdecken, erforschen und erleben. Als Game Designer*innen erschaffen wir entsprechende Spielwelten dafür, in die sie eintauchen können. Für die Erstellung eines gelungenen Spiels zur Geschichtsvermittlung haben sich in unserer Arbeit folgende Grundsätze (hier gekürzt dargestellt) bewährt:

  • Unterhaltung: Gerade ein Spiel, das Inhalte vermittelt, sollte unterhalten. Damit ist nicht gemeint, dass es zwingend Spaß machen muss. Auch ein ernstes oder trauriges Spiel vermag zu unterhalten und in den Bann zu ziehen. Ohne Unterhaltung jedoch, keine Freiwilligkeit. Ohne Freiwilligkeit, kein Spiel.
  • Ziel und Zielgruppe: Ein Spiel, das einer breiten Masse nur mäßig gefällt, ist weniger erfolgreich als ein Spiel, das einer spezifischen Zielgruppe sehr gut gefällt. Wichtig ist daher zu klären: Für wen ist das geplante Spiel? Was wird vermittelt? In welchem Nutzungsszenario kommt das Spiel zum Einsatz?
  • Inhalt mit Praxis verknüpfen: Der zu vermittelnde Inhalt darf nicht neben dem Spielprinzip stehen. Ein gelungenes Machwerk vermittelt vielmehr im Prozess des Spielens.
  • Interaktion: Ein Spiel erlaubt, historische Verläufe zu erleben, sie buchstäblich durchzuspielen oder sogar zu beeinflussen. Das gilt es sich zunutze zu machen und die Möglichkeiten der Interaktion auszuschöpfen.
  • Style: Das Auge spielt mit. Nur wenn das Spiel für die Zielgruppe attraktiv gestaltet ist, beschäftigt sie sich gerne damit. Auch im Schulkontext darf ein Lernspiel nach Spiel aussehen. 
  • Rhetorik: Gleiches gilt für die Sprache. Tests in unterschiedlichen Entwicklungsphasen stellen sicher, dass das sowohl das Spiel, als auch das Regelwerk bei der Zielgruppe ankommen.
  • Abstraktion: Spiele sind Abstraktion. Das heißt, dass mit ihnen eher das Ziel verfolgt werden kann, ein Gespür für komplexe Systeme zu vermitteln als Daten und Fakten wiederzugeben. Wichtig ist, sich auf ein konkretes Thema festzulegen und dieses Thema zielgerichtet darzustellen.
  • Anleitung und historische Einbindung: Ein Spiel muss für sich allein funktionieren. Eine historische Einbettung, zum Beispiel in Form eines Begleitheftes für Lehrkräfte, kann jedoch zusätzliche Anknüpfungspunkte schaffen.

Best Practice: Beispiele für Spiele im Geschichtsunterricht

Das Spiel schafft es wie kein anderes Medium, Komplexe, Zusammenhänge und Eventualitäten abzubilden. Es gibt hierfür eine Vielzahl ganz großartiger Beispiele:

3 Screenshots aus dem Spiel "My Child Lebensborn". Zu sehen ist das Adoptivkind im Gespräch mit Spieler*innen. Kind: "I wish you never made me deliver that stupid letter!", Antwortoption 1: "What happened?", Antwortoption 2: "Are you okay?", Antwortoption 3: "It didn't help?" Best Practice Beispiel für Spiele im Geschichtsunterricht

My Child Lebensborn” ist eine emotionale Erziehungssimulation und spielt nach dem Zweiten Weltkrieg in Norwegen. Thematisiert werden Traumabewältigung und Ausgrenzungserfahrung in der Nachkriegszeit. In der Rolle von Adoptiveltern kümmert man sich in dem Spiel um ein Kind aus dem Lebensborn-Projekt des Nazireichs. Ziel ist es, ihm oder ihr eine unbeschwerte Zeit zu ermöglichen. Doch das ist gar nicht so einfach.

 

This War of Mine Screenshot als Best Practice Beispiel für Spiele im Geschichtsunterricht. Zu sehen ist ein Haus im Querschnitt mit mehreren Etagen. Die Stimmung ist düster. Eine Person sagt "It seems quite safe here"

This War of Mine“ lässt uns die Schrecken des Krieges aus der Sicht von Zivilisten erleben. Die geradezu unlösbare Aufgabe ist, in Zeiten von Grauen, Mangel und Entbehrung, eine Gruppe von Zivilisten am Leben zu halten. Es gilt, moralische Entscheidungen zu treffen, auf die es keine richtige Lösung gibt. 

 

Spuren auf Papier - Screenshot aus dem Spiel als Best Practice Beispiel für Spiele im Geschichtsunterricht. Zu sehen ist ein aufgeklapptes Buch. Links ein Text zur Einweisung von Anna in die Heil und Pflegeanstalt. Rechts ein gezeichnetes Bild von Anna auf einer Schaukel weit über der Pflegeanstalt schwebend; zwei große Hände schubsen sie an

Das Computerspiel „Spuren auf Papier“ behandelt das sensible Thema der Krankenmorde zur NS-Zeit. Spieler*innen decken hier nach und nach die tragische Geschichte der fiktiven Anna auf, einer manisch-depressiven Patientin in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen. Begleitmaterial für Lehrkräfte und Interessierte bietet zusätzliche Informationen zu den einzelnen Inhalten des Spiels

 

Photo vom analogen Spiel "Trains" von Brenda Romero. Zu sehen ist ein kaputtes Fenster ; darauf Schienen mit Zügen. Gelbe Spielfiguren befinden sich in den Zügen und stehen auchneben dem Spielfeld. Auch kleine Karten, auf denen "Train" steht, sind um das Spielfeld gelegt.

Brenda Romeros Spiel „Trains“ verlangt von seinen Spieler*innen Züge mit möglichst vielen Spielfiguren zu befüllen und diese von A nach B zu transportieren. Im Spielprozess merken sie: Die pragmatische Handlung, die sie hier ausführen, simuliert die Logistik in der Zeit des Holocaust.

Beispiele wie diese gibt es reichlich und sie führen in hervorragender Weise vor Augen, wie das Spiel nicht nur als didaktisches Medium für Wissensvermittlung eingesetzt werden kann, sondern auch für die Bereiche Moral, Ethik und Philosophie ein fantastisches Medium darstellt. 

Noch mehr Beispiele gefällig?

Die Stiftung Digitale Spielekultur hat mit ihrer Datenbank: Games und Erinnerungskultur eine umfangreiche Sammlung zu Spielen mit besonderer erinnerungskultureller Relevanz geschaffen. Darüber hinaus finden sich in unserer Projektübersicht weitere Beispiele zu Spielen, die sich historischen Themen widmen.

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